Samstag, 12. November 2011

Jede große Geschichte fing klein an

Schon lange ist es her, dass ich mit dieser Geschichte angefangen habe. Immer wieder habe ich neue Ideen gehabt und sie dann doch verworfen, so liegt sie schon seit langem in meiner "Schublade". Nun habe ich mir erneut die Frage gestellt, ob ich meinen Traum nicht wieder aufleben lassen soll und das Buch das ich einst anfing zu schreiben zu Ende bringe. Hier also der Anfang einer Geschichte, die es vielleicht Wert ist vollendet zu werden.
 

Kapitel 1


Nein, das kann doch wirklich nicht wahr sein! Es ist Sonntagmorgen und was mache ich, während jeder normale Teenager schläft, faulenzt oder sich sonst wie vergnügt, natürlich sitze ich in der Kirche. Aber im Ernst, wer geht schon heutzutage freiwillig hierhin?! Sicherlich keiner, dessen war ich mir sicher.
So dachte ich weiter vor mich hin und bemerkte kaum das Geschehen um mich herum. Ich wusste zwar, dass der Pastor etwas vor dem Altar erzählte und das ich es für den nächsten Religionstest vielleicht sogar wissen sollte , hörte jedoch trotzdem nicht sonderlich hin.Ganz andere Gedanken füllten meinen Kopf in dem Moment und es war sehr praktisch, dass ich immer einen Platz im hinteren Teil der Kirche nahm, wo ich mich an die warme Heizung lehnen und die lästigen Probleme, wenigstens für die eine Stunde die ich dort verbrachte, vergessen konnte. So als angehende Erwachsene hat man es nicht leicht, obwohl die Eltern da bekanntlich oft anderer Meinung sind.
In meiner Bank saß niemand, außer vielleicht diese seltsame Dame mit dem schwarzen Hut , der ich allerdings nicht sehr viel Beachtung schenkte, genauso wenig wie allen anderen.

Und so wäre ich vor Langeweile fast zu Morpheus in das Reich der Träume entglitten, als plötzlich das Vibrieren meines Handys mich aus der Trance riss. “ O Gott,wie kann ich dir nur danken, dass ich dies mal daran gedacht habe den Ton auszustellen.”, murmelte ich spöttisch vor mich hin, worauf hin ich auch schon einige wütende Blicke der Gemeindemitglieder auf mir spürte. Genau das habe ich schon immer an den Gottesdiensten und dem ganzen kirchlichem Kram so gehasst, die Leute dort sind ja nicht annähernd so freundlich und aufgeschlossen , wie sie immer zu sagen pflegen . So “konservativ” - einfach nur altmodisch und so darauf bedacht dem was vorgetragen wird zu folgen , dass ich manchmal bei einigen wirklich den Anschein hatte, dass sie alles menschliche an sich verloren, so wie auch die Rücksicht auf die normalen unter uns.
Ich stand einfach auf und ging aus der Kirche , ohne mich umzuschauen oder etwas zu sagen. Das Handy vibrierte immer noch in meiner Hand , doch als ich auf das Display schaute , hörte das Vibrieren abrupt auf. ”Was für ein Genie ruft mich denn jetzt schon wieder an? Habe ich etwa was vergessen?” Als ich mir die Nummer ansehen wollte, stand da nur ,” Nummer unterdrückt”. Plötzliche unerklärliche Panik ergriff mich. Etwas war geschehen , das konnte ich spüren und hatte dabei gar kein gutes Gefühl. Schon als ich ein kleines Mädchen war, drei oder vier Jahre alt, habe ich es gespürt. Mit Worten war es kaum zu beschreiben, man könnte sagen es fühlte sich an die eisiger Wind, der etwas schönes aber auch zugleich etwas was mich an ganzem Körper erschaudern ließ mit sich trug. Diese tiefe, durchdringende Kälte erinnerte mich nur allzu deutlich an meine Großmutter, denn dieselbe Kälte breitete sich in mir so oft aus, wenn ich in ihre Nähe kam.
Ich rannte los, ohne auch nur noch einen einzigen Gedanken an den Anruf oder meine Gefühle zu verschwenden. Die Zeit verging quälend langsam, beinah glaubte ich mich in Zeitlupe zu bewegen, denn ich kam einfach nicht schnell genug voran. Die Gewissheit, dass ich zu spät kommen würde, verstärkte sich mit jeder verstrichenen Minute. Doch zu spät wofür? Ich hatte nicht die geringste Ahnung, oh wäre es doch so geblieben.
Während ich vollkommen blind und nur auf mein Ziel fixiert durch die menschenleeren Straßen lief, peitschte mir der eisige Wind ins ungeschützte Gesicht und die Schneeflocken, die mir in ihrer Erscheinung immer so perfekt und traumhaft schön vorkamen, ähnelten nun mehr Tausenden scharfer, mikroskopisch kleiner Messer, welche meine Haut, wie tollwütige Hunde zerfetzen wollten.
In einem Moment dachte ich ein feindseliges Wispern um mich zu hören, Sterben. Sterben wirst du, ganz gewiss, Mädchen. Sie sind ja auch alle gestorben. Sterben. Sterben... Die Einbildung verdrängte ich mit aller Kraft und ließ mich weiter von meinen Beinen tragen und dachte auch weiterhin nicht nach. Keinen einzigen Gedanken ließ ich zu, nicht einmal um zu verstehen wohin ich unterwegs war. Umso erstaunter war ich als ich plötzlich zum Stehen kam und mich vor Großmutters Haus wiederfand.


Mein ganzer Körper war wie eingefroren, ich konnte mich nicht bewegen, sondern nur auf das kleine unauffällige Haus vor mit starren, was mir nun mehr den je unheimlich vorkam. Hier habe ich so viele Tage meiner Kindheit verbracht,( ach was rede ich da, damals war ich immer noch mehr ein Kind als Erwachsener) und mit dem ich so viele tiefgehende Ängste verband.
Meine Eltern kannte ich nicht. Von meiner Mutter wusste ich zumindest, dass es sie überhaupt gegeben hat und dass ich wohl ihr „ein uns alles“ gewesen bin, so habe ich es zumindest beigebracht bekommen. Von dem Mann, der mich gezeugt hat wusste ich jedoch rein gar nichts und er schien für mich schon immer mehr eine Geistergestalt zu sein als ein richtiger Mensch mit Gefühlen und dem ganzen drum und dran. Denn was für eine kranke Natur musste er sein um eine Schönheit wie meine Mutter mit einem Kind unter dem Herzen zurückzulassen? (Vielleicht lebte der Mann noch, aber von mir aus hätte er genauso gut tot sein können, es wäre mir egal, denn er hatte es verdient, dachte ich zumindest.)
Zwar habe ich nicht viele Fotos von meiner Mutter zu sehen bekommen, aber sogar an den wenigen Aufnahmen ließ sich mühelos erkennen, wie atemberaubend sie war, mit langen kastanienbraunem Haar, himmelblauen Augen und einem süßen engelsgleichen Lächeln auf den Lippen. Ihr Name war Savannah. Sie starb mit zwanzig.
Viel mehr wusste ich nicht von Savannah Black, denn Großmutter sprach nicht gerne von ihr, und wenn ich nach ihr fragte, schickte sie mich zu Maggie, meiner lieben aber unglaublich ahnungslosen Tante, die einfach noch viel zu jung war um sich gegen einem Teenager behaupten zu können.
Da ich also keine Eltern vorzuweisen hatte, lebte ich bei Maggie und wurde von ihr und Großmutter so gut es ging erzogen. Leider hat es noch nie so recht funktioniert...